Traumwanderungen in den Anden Südpatagoniens

"Vermutlich noch 500m, warum sind die letzten Meter immer die schwersten? Wir sind extra früh aufgebrochen, um die Berge in einem guten Licht zu sehen und jetzt seit vier Stunden unterwegs. Jetzt geht es wirklich noch einmal steil bergauf, ich schwitze, atme schwer, ein Schritt vor den anderen, ein Schritt vor den anderen...".


Dann komme ich über den Grad, kalter Wind schlägt mir ins Gesicht und vor mir ein Panorama von atemberaubender Schönheit. Ein kompletter Talschluss, wie ein Halbkreis, in dessen Boden ein blauer See eingelassen ist, umgeben von Bergen mit bizarren Formen und Farben, die sich in den blauen Himmel recken, verbunden mit Schneefeldern und blauem Gletschereis, das sich in den See ergießt. Die Sonne lässt das Bild erstrahlen. Ich hole tief Luft, der Anblick treibt mir die Tränen in die Augen, weil ein kleines Menschenherz so viel Schönheit und Größe kaum zu erfassen vermag. Wie konnte ich nur daran zweifeln, dass es die Mühe wert ist?

Die letzten Wochen (seit Weihnachten) haben wir in den beiden großen südpatagonischen Nationalparks verbracht: dem Torres del Paine in Chile und dem Parque National Los Glacieres in Argentinien. Beide gehören wohl zu den Highlights einer jeden Patagonienreise, zumindest dann, wenn man gerne in den Bergen wandert und Glück mit dem Wetter hat (was bei uns mal wieder zutraf: ganze zwei Regentage, abgesehen von ein paar Schauern).
Der Torres del Paine hat uns vor allen durch die unmittelbar aneinander grenzenden  türkisblauen Lagunen und die schneebedeckten Berge beeindruckt. Wenn man hier hindurch fährt eröffnet sich hinter jeder Ecke ein neuer atemberaubender Blick. Dominiert wird er durch das Paine-Massiv (höchste Spitze 3050m), zu denen auch die Torres, die Türme, gehören, die durch ihre Form beeindrucken.

Auf unseren Wanderungen hier konnten wir blaue Eisblöcke in Gletscherseen treiben sehen, den Sonnenaufgang im Angesicht der Berge genießen (und das Frühstück danach), auf grünen Hügeln Guanakos in wenigen Metern Entfernung beobachten und zum "Base de Torres" aufsteigen, so dass wir den Türmen ganz nah waren. All die Eindrücke und Empfindungen lassen sich gar nicht beschreiben. Jeden neuen Tag haben wir uns reich beschenkt gefühlt.
Sehr angenehm ist es im Torres del Paine aus rein praktischer Sicht, dass es erlaubt ist mit einem Campingbus kostenfrei (dafür ist die Gebühr für den Park recht heftig) an den Plätzen zu stehen, an denen Toiletten vorhanden sind. Da war manch schöner Platz dabei.

Dann ging es wieder über die Grenze nach Argentinien und mit einem Zwischenstopp an Silvester in El Calafate weiter nach El Chaltén. Dieser Ort, der erst 1985 gegründet wurde, nennt sich selbst "Nationale Hauptstadt des Trekkings." Gelegen am Fuße des Cerro Torre und Fitz Roy, zwei für ihre Form und Schwierigkeit der Besteigung berühmte Berge, boomt der Tourismus und El Chaltén ist wohl in den letzten Jahren um ein Vielfaches gewachsen, wobei die meisten Häuser entweder Hostels, Restaurants, Bars oder Souvenirläden sind und der Bauboom augenscheinlich anhält. Ein reiner Touristenort, was uns manchmal sehr eigenartig anmutete, aber angesichts der Wandermöglichkeiten zu verstehen ist.
Mehrere tolle Tagestouren bringen uns durch Wälder, die mit ihren bizarren, knorzigen Bäumen einem Märchen entsprungen zu sein scheinen, zum Cerro Torre aber auch zur Laguna der Los Tres direkt gegenüber dem Fritz Roy bzw. "Chaltén oder Feuerberg", wie ihn die hier ursprünglich lebenden Tehuelche nannten. Und in der Tat sieht es fast immer so aus als stiege permanent Rauch am Gipfel dieses Berges auf. Die Wolken umkreisen die Bergspitzen und malen Bilder in den blauen Himmel. Wir können uns kaum stattsehen so schön ist dieses Schauspiel.

Wir haben tatsächlich viel Glück, denn wir hören von anderen, dass sie acht Tage in El Chaltén waren und ganze zwei Stunden Bergsicht hatten. Wir haben an unserem letzten Tag dagegen noch einmal das ganze Panorama vor uns.
So gehen drei weitere wunderschöne Wochen unserer Reise zuende.