Auf den Straßen Chiles

Seit gut einer Woche sind wir nun wieder in Chile unterwegs. Wir haben die Grenze in Chico Chile am Lago Buenos Aires bzw. Lago General Carrera auf chilenischer Seite überquert. Der See ist nach dem Titicacasee der zweitgrößte Südamerikas und zwischen Argentinien und Chile geteilt. Aufgrund der eher mittelprächtigen Beziehungen der beiden Staaten gerade wenn es um die Grenzziehung geht (bis heute scheint es einige Unklarheiten zu geben) hat es offenbar nicht einmal für einen gemeinsamen Namen gereicht.

Wie dem auch sei, was nach der Grenze kam waren gut 100km Schotterstraße und mit Sicherheit mit die schönste Strecke, die wir bis jetzt auf dieser Reise gefahren sind (insgesamt haben wir vier Stunden dafür gebraucht, da der Blaubärt weder eine Bergziege ist noch munter über die Schlaglöcher gleitet). Die schmale Straße führte in beachtlichen Kurven direkt am See entlang, wobei es manchmal doch an einer Seite ausgesprochen steil nach unten ging und der Blick nach vorne und unten immer wieder eine Mischung aus Furcht und Begeisterung auslöste. Doch die Begeisterung überwog eindeutig, denn das Blau des Sees verbunden mit den Bergen, die ihn umgeben, lässt sich wirklich nicht beschreiben. Jedem, der uns ein solches Foto zeigte, würden wir eine Bearbeitung mit Photoshop unterstellen.

Mittlerweile sind viele, viele Kilometer Schotterstraße hinzugekommen. Wir befinden uns auf der Carretera Austral, die durch ganz Chile führt und sozusagen das Pendant zur Ruta 40 in Argentinien darstellt. Weite Teile dieser Straße sind noch ungeteert, obwohl an vielen Stellen Bauarbeiten im Gange sind, eine echte Herausforderung in solch einem bergigen Gelände. Diese Schotterstraßen bringen es eben mit sich, dass wir langsam vorankommen und häufig überholt werden. Dies wiederum hat zur Folge, dass wir bei jedem Fahrzeug, das uns überholt und auch bei jedem, das uns entgegenkommt, in eine dicke Staubwolke eingehüllt werden. Man sieht die Hand vor Augen nicht, geschweige denn die Straße und auch ohne andere Fahrzeuge tut der stramme Wind sein übriges und wirbelt Dreck und Staub in reichlicher Menge in die Luft.

Das gesamte Innenleben des Blaubärt ist allabendlich mit einer dicken, grauen Staubschicht überzogen, die auch nach mehrmaligem Wischen eher zu einer verschmierten Masse wird, als dass sie sich löst. Die Reinigungsversuche sind aber ohnehin ein recht wertloses Unterfangen, da es am nächsten Tag genauso ist, aber irgendwie fühlt man sich besser und nicht ganz so hilflos. Das Ganze erinnerte uns an die Aussage eines Dänen, der mit uns gemeinsam sein Auto in Montevideo abholte. Er schaute in den Blaubärt und sagte voll ernstgemeinter Begeisterung: "Braun ist ja eine super Farbe für die Innenausstattung, da fällt der Staub nicht so auf und am Ende sind sie innen sowieso alle braun."

Von außen sieht unser Gefährt so aus, dass uns vorgestern irgendjemand sehr deutlich "Herzliche Grüße aus BS" mit dem Finger in den Dreck der Seitenscheibe geschrieben hat. Tja, besten Dank für die Grüße, die wirklich deutlich zu lesen waren.

All dieses wird aber durch die herrlichen Ausblicke und Streckenabschnitte mehr als wett gemacht.

Nachdem es gestern schon etwas geregnet hat, hatten wir heute nun den ersten Tag mit richtigem Dauerregen. Die gute Nachricht: es staubt nicht mehr. Die schlechte, Teile der Straße verwandeln sich in eine schmierige Schlammspur und die Schlaglöcher füllen sich so, dass Ausmaße und Tiefe manchmal nur schwer abzuschätzen sind. So haben wir uns heute kurvenreich über einen Pass gequält, während links und rechts die Sturzbäche heruntergingen. Klassische Situation für Erdrutsche, von denen es hier viele gibt.

Doch wir freuen uns, und während wir in unserem trockenen, rollenden Zuhause sitzen, bedauern inbrünstig wir die vielen Radfahrer (vornehmlich junge Menschen aus Chile und ältere aus den Niederlanden), die sich offenbar der Carretera Austral verschrieben haben. Unsere Fahrräder sind dagegen aufgrund der Wind- und Straßenverhältnisse seit längerem nicht mehr zum Einsatz gekommen, sehen aber so aus, als wären wir jeden einzelnen Kilometer auf ihnen gefahren.

Und nicht dass ein falsches Bild entsteht: die Straßen in Argentinien sind in den meisten Teilen auch nicht besser.